Abstract:
Die kulturelle Bedeutung von Bildern
Soziologische und semiotische Überlegungen zur visuellen Kommunikation
1998
Schelske, Andreas

zurück

Die meinem Buch zugrundeliegenden Überlegungen versuchen "alle" Bilder anzusprechen, die aus Verwendungskontexten der visuellen Kommunikation bekannt sind. Zweifelsohne wäre die gemeinte Variationsbreite zu umfangreich, wenn "alle" Bilder im einzelnen betrachtet oder kunsthistorisch eingeordnet werden würden. Die Überlegungen knüpfen aufgrund dieser Vielfalt nicht an bestimmte Bilder an. Vielmehr gelten sie einerseits den sozialen Systemen, in denen Bilder heutzutage als Kunst, Freizeitmalerei, Kult, Fernsehen, Werbung, Erinnerungsfotografie, Kino oder wissenschaftliche Untersuchungsmethode erwartet werden, und andererseits beziehen sie sich auf kulturelle Voraussetzungen, die Bilder aus zeichentheoretischer und wahrnehmungspsychologischer Sicht schaffen, um zwischenmenschliche Verständigung im visuellen Bereich zu ermöglichen.

Für welche Fragen sind Bilder die Antwort? Wir kommunizieren zwar mittels Bildern, aber das, was wir von ihnen erfahren, nehmen wir häufiger unbefragt als befragt in Anspruch. Aus diesem Grund orientiere ich meine Überlegungen an folgenden Fragen: Wie gelingt visuelle Kommunikation? Wie wissen Bilder etwas von etwas? Welche Gedächtnisleistung erbringen Bilder für eine Kultur und welche für eine Gesellschaft? Worin liegt die kulturelle Bedeutung von Bildern?

Um diesen Fragen nachzugehen, zeige ich im ersten Teil meiner Arbeit, wie leistungsfähig sich die Semiotik von C. S. Peirce darin erweist, bildhafte Zeichen in ihren syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen zu analysieren.
Der zweite Teil stützt sich auf den semiotischen Rahmen, der mit dem von Peirce begründeten Pragmatismus" formuliert wurde. Nachdem hier das Verhältnis von visueller Wahrnehmung, Sprache und Bildern in Verbindung mit psychologischen Forschungsergebnissen detailliert untersucht wurde, entwerfe ich eine grundlegende Unterscheidung zwischen visueller Information" und kommunikativer Nachricht". Daran schließt sich eine Argumentation an, die darlegt, daß die Wahrnehmung visueller Informationen nicht beinhaltet, daß bereits Kommunikation vorliegt. In der weiteren Auseinandersetzung mit Hypothesen von Y.Lotmann und M. Halbwachs zeigt die theoretische Analyse, wie Bildkultur als Gedächtnis in Gesellschaften vorkommt und an was sie diese erinnern kann. Insbesondere das Vergessen von Bedeutungen sticht als eine Eigenschaft der Bildkultur als Gedächtnis hervor. Dieser Annahme gehen Vorschläge voran, wie und wann bildliche Formen einen Sinn und eine Konvention erlangen, um ein Wissen über Ähnlichkeiten behaupten zu können. Aussagen von P. Bourdieu, M. Foucault, N.Goodman und M. Weber finden dabei besondere Berücksichtigung.

Der dritte Teil problematisiert zunächst Tendenzen gegenwärtiger Bildverwendung und thematisiert anschließend, mit welchen Bedeutungen die Kultur der Bilder in der Systemintegration (N. Luhmann) und mit welchen sie in der Sozialintegration (J.Habermas) belegt werden kann. Es werden Antworten auf die Frage gefunden: Was bedeutet das Bild in der Gesellschaft? Beispielsweise kennzeichnet das dramaturgische Handeln eine herausragende Bedeutung der Bildkultur. Denn für diese Handlungsmotivation eignen sich Bilder besonders, weil sie der dramaturgischen Selbstinszenierung ein Medium bieten, das einem innenorientierten Darstellungswillen nahezu keine konventionellen Grenzen setzt. Gleichzeitig läßt dieser mögliche Nonkonformismus die Gefahr erkennen, daß Individuen mit Bildern lediglich Kommunikation spielen und sich zum Spaß verstehen, indem sie diskursive Verständigungsmechanismen umgehen und ihr projektives Miterleben als Verstehen interpretieren.

Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1997, VIII, 379 Seiten, 9 Abb., ISBN 3-8244-4236-1




   zurück